Rückblick auf das Jahr 1904
100 Jahre Kirchengemeinde St. Jakobi
Zum 100. Jubiläum der Gemeindegründung von St. Jakobi erinnert Pfarrer Etzold im Gemeindebrief Juni 2004:
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Zahl der evangelischen Einwohner in der Stadt Braunschweig erheblich zugenommen. Aus den sieben alten Stadtgemeinden wuchsen Tochtergemeinden heraus. Aus der St. Katharinen-Gemeinde entstand im Osten St. Pauli, aus St. Magni St. Johannis. Im Westen hatten sich St. Martini und St. Petri wesentlich vergrößert, so dass im so genannten Alt-Petritore ebenfalls eine neue Kirchengemeinde geschaffen werden musste. Am 30. Juni 1904 beschlossen die Kirchenvorstände von St. Martini und St. Petri die Gründung dieser Gemeinde. In Erinnerung an die mit der frühesten Geschichte der Stadt verbundenen Jacobskapelle am Eiermarkt erhielt sie ihren Namen: St. Jakobi.
Ihr erster Pastor, Dr. Henry Beck, baute diese Gemeinde nach damals sehr modernen Konzepten als Gemeindekirche auf, deren wesentliche Neuerung eine breit angelegte Gemeindearbeit war. Von 1909 bis 1911 wurde die Jakobikirche mit dem ihr verbundenen Gemeindesaal (der erste in der Stadt) und dem baulich verbundenen Pfarrhaus erbaut. 1910 führte Dr. Beck den ersten Gemeindebrief ein, über ein halbes Jahrhundert bevor überhaupt Gemeindebriefe in der Landeskirche zum Standard kirchengemeindlicher Mitteilungen wurden.
Der Gemeindebrief ist seitdem mit einigen politisch bedingten Unterbrechungen bis heute erschienen. Gerade die Bände der ersten Jahre sind eine Fundgrube für Historiker. Wir erfahren z.B., dass die Gemeindegliederzahl 1913 insgesamt 8949 betrug, die durch einen (!) Pfarrer betreut wurden, und es wurden die Vergleichzahlen dier anderen Kirchengemeinden mit genannt (in Klammern der Stand aus dem Jahr 2003): St. Andreas 16785 (3066), dom 1396 (921), Johannis 15151 (4838), Katharinen 10090 (2667), Magni 10939 (2531), Martini 12853 (3008), Michaelis 13165 (2690), in der Militärgemeinde (heute St. Matthäus) 2885 (3513), St. Pauli 24222 (3981), St. Petri 6724 (1522) und St. Ulrici 7557 (721). St. Jakobi hatte im Jahr 2003 3876 Gemeindeglieder.
Aus dem Gemeindeleben erfahren wir, dass es einen "Jungfrauenverein" gab, einen "Jugendbund" für die konfirmierten Jugendlichen mit Vorträgen, Besichtigungen der Handelskammer und am 11. Dezember 1910 ein "Vortrag des Mitgliedes Walter Drögekopp mit praktischen Versuchen aus dem Gebiete der Elektrizität".
Auch auch das war zu lesen, im November 1914: "Liebe Eltern, libe Brüder und Schwester! Da wir hier jederzeit den Tod vor Augen haben, denn Granaten schlagen fortwährend nur wenige Meter von uns ein, möchte ich auch noch einige Worte zum Trost schreiben, denn wenn ihr diesen Brief erhaltet, liege ich schon in fremder Erde begraben und meine Seele ist, so hoffe ich, bei Gott ... Möge Gott geben, dass ihr noch viele Jahre in Frieden lebt im Kreise der Brüder und Schwestern. Verzeiht mir, wenn ich Euch manchmal gekränkt habe .." und als Nachtrag war zu lesen: "Die Todesahnungen des jungen Kämpers haben sich erfüllt, es war der letzte Brief ..."
Die gesamte Zeit des ersten Weltkrieges bereits und seine Auswirkungen auf das Gemeindeleben sind lückenlos dokumentiert. Darüber hinasu die Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Sozialisten, Kunst und Religion, Konfirmationsnöte und Nutzung des Gemeindesaals als Lazarett für Kriegsverwundete. In der Inflationszeit wurde das Gemeindeblatt wegen Papiermangels eingestellt und im zweiten Weltkrieg erschien es nicht.